Wissenswertes
Zur Problematik rund um gefährliche Hunde
Seit dem Vorfall im Dezember 2005, bei dem ein Junge auf tragische Weise durch Hundebisse zu Tode kam, beschäftigen Beissvorfälle mit Hunden Öffentlichkeit und Politik stark. Gefordert wurden teilweise rigorose Massnahmen gegen so genannte "Kampfhunde", gewisse Medien hatten die emotional geführte Debatte zusätzlich angeheizt.
Die Kantone haben in den letzten Jahren dem Druck von Öffentlichkeit und Medien nachgegeben und teilweise stark überrissene Regelungen gegen „gefährliche“ Hunde erlassen. Neben willkürlich anmutenden pauschalen Bewilligungspflichten oder sogar Verboten gegen ganze Hunderassen finden sich auch generelle Maulkorb- oder Leinenpflichten, die aus der Sicht des Tierschutzes abzulehnen sind.
Bestimmungen für den Dobermann in den Kantonen:
Antworten zum Interview für die Ausgabe 01/2021 im HUNDE (ungekürzte Fassung)
1. Nachdem Ihre Rasse zu einem „Listen-Hund“ erklärt wurde - welche Auswirkungen hatte dies seither auf Ihre Rasse? Als wie dramatisch schätzen Sie die Lage für Ihre Rasse ein? (Bestand, Zuchtlinien etc.)
Auswirkungen auf die Rasse selber vermerken wir diesbezüglich keinen grossen Unterschied in der Schweiz, da der Bestand an Dobermännern mit aktuell ca. 700 Hunden eher klein ist. Wir verzeichnen aber vermehrt Anfragen wegen Unklarheiten, wie beispielsweise Haltebewilligungen in den verschiedenen Kantonen bei einer Neuanschaffung eines Dobermann, oder wegen Umzug in einen Kanton mit Bewilligungspflicht und den dort geltenden Einschränkungen oder Verboten. Das vermeintliche Wissen der Leute, dass es sich beim Dobermann anhand der Rasseliste nun um einen „gefährlichen“ Hund handeln soll ist meiner Meinung nach eine weitere Auswirkung. Einen Einschnitt bei der Nachfrage nach Welpen seit die Rasseliste besteht, ist kaum vorhanden. Den grossen Einschnitt im Zuchtgeschehen beim Dobermann und bei der Nachfrage nach Welpen gab es als das Kupierverbot 1994 in Kraft trat. Glücklicherweise hat sich teilweise damit aber auch die Klientel der Welpeninteressenten geändert.
Dramatisch an sich ist die Lage für die Zucht nicht explizit wegen der Rasseliste. Der Bestand in der Schweiz an Dobermännern aus Schweizer Zucht besteht aus weniger als 10%, der Rest sind Importhunde aus angrenzenden Ländern und dem Ostblock. Dramatisch sind die gesundheitlichen Probleme, beispielsweise wegen DCM, welches ein grosses Problem in den Zuchtlinien darstellt.
2. Wie reagiert die Gesellschaft / Umwelt auf Sie und Ihren „Listen-Hund“, beispielsweise wenn Sie auf dem Spaziergang unterwegs sind? Merken Sie einen Unterschied, seid Ihre Rasse zu den Listen-Hunden gehört? Spezielle Erlebnisse in diese Zusammenhang?
Die Akzeptanz ist seit der Einführung der sog. Rasseliste eher gesunken, was aber nicht nur negativ gewertet werden darf. Erfreulicherweise beobachte ich dafür, dass sich Listenhundehalter mit ihren Hunden eher an Regeln halten und ihre Hunde korrekt erziehen um in der Gesellschaft nicht negativ aufzufallen und um mit gutem Beispiel vorangehen zu können. Da in vielen Köpfen der Dobermann noch immer Stehohren hat, wird er oftmals gar nicht erkannt, wenn wir mit ihm unterwegs sind. Bisher waren meine Erfahrungen nur positiv.
3. Hand aufs Herz: Für „Ersthundehalter“ ist Ihre Rasse wohl nur bedingt geeignet. Oder? Anders gefragt: Für wen eignet sich Ihre Hunderasse? Welche Anforderungen stellt die Haltung eines Hundes Ihrer Rasse an den Halter?
Wenn der Wille dazu da ist, sich Wissen anzueignen, genügend Zeit vorhanden ist und man eine gute körperlich Verfassung hat, eignet sich der Dobermann auch für Ersthundehalter.
Man darf aber keinesfalls vergessen, dass der Dobermann zu den Gebrauchshunden gehört und zu einem bestimmten Zweck (Wach- und Schutzhund) gezüchtet wurde. Und das soll ja auch so bleiben. Seine Bedürfnisse sind daher nicht zu unterschätzen. Der Dobermann ist sehr lernwillig, aber auch stur. Diese Kombination macht die Erziehung und Ausbildung für einen Ersthundehalter nicht unbedingt einfach.
Sein Aussehen wird dem Dobermann leider immer wieder zum Verhängnis. Wenn man die Interessenten für die Rasse fragt, warum sie sich gerade einen Dobermann anschaffen möchten, kommt meistens die Antwort, weil es ein schöner Hund sei und ihnen der Dobermann schon immer gefallen hätte. Dabei haben sich die Wenigsten über Bedürfnisse, Wesen, Gesundheit oder eben über die Rasseliste informiert. Wir raten Interessenten immer wieder, sich allenfalls auch noch andere Rassen anzuschauen, beispielsweise an einer Hundeausstellung. Wenn das Interesse aber weiterhin besteht und ein Dobermann angeschafft wird, raten wir Neuhaltern bei einem Hundesportverein oder dem Dobermannverein, bzw. einer Ortsgruppe des DVS beizutreten um den Hund fach- und artgerecht zu beschäftigen und um mit Fragen oder Problemen nicht alleine dazustehen.
4. Bedeutet die Erziehung / Sozialisierung eines Hundes Ihrer Rasse mehr Aufwand als beispielsweise eines Kleinhundes? Wie sollten Hunde Ihrer Rasse beschäftigt / ausgelastet werden? Geben Sie als Rasseclub diesbezüglich Empfehlungen ab?
Die Erziehung und Sozialisierung eines Dobermann unterscheidet sich nicht zu anderen Rassen. Es ist ein ebenso zeitintensiv und wichtig. Vorallem für den Dobermannzüchter, der dem Welpen das Bestmögliche für einen guten Start ins Leben mitgibt.
Nebst der körperlichen Beschäftigung spielt die Abwechslung eine grosse Rolle zur Auslastung dieser Rasse. Wenn es langweilig wird, macht der Dobermann selber Programm. Wenn sich potenzielle Dobermannhalter bei uns melden laden wir diese gerne ein bei einem Züchter oder einer Ortsgruppe bei einem Training vorbeizuschauen, aber auch eine Hundeausstellung zu besuchen um mit den Züchtern direkt in Kontakt zu treten. Ebenso informieren wir über die Rasseliste und die geltenden Gesetze je nach Kanton.
5. Gab/gibt es Bestrebungen, Ihre Rasse von den Rasselisten zu streichen? Ist Ihnen diesbezüglich etwas bekannt? (dies müsste ja vermutlich mit einem politischen Vorstoss geschehen). War der Rasseclub diesbezüglich aktiv?
Es bringt nichts wenn ein einziger Rasseklub diesbezüglich einen politischen Vorstoss anstrebt, dafür ist unsere Lobby zu klein. Sven Walti, der damalige DVS Präsident, welcher von 2004 bis 2011 amtete, machte zusammen mit Vertretern weiterer Listenhunde-Rasseklubs und Vertretern der SKG einen Versuch. Dieses Gremium reichte eine Petition ein um die Rasseliste zu stürzen. Nach dem gescheiterten Versuch resignierten jedoch alle und es wurde diesbezüglich nichts mehr unternommen.
Es müssten alle Hundesportvereine und alle Rasseklubs (nicht nur die der Listenhunde) zusammen mit der SKG eine Lösung ausarbeiten, welche nicht mehr kantonal sondern auf Bundesebene geregelt wird, aber für die Kantone attraktiv wird. Beispielsweise mit einem Bonussystem. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies auf Dauer so Einiges vereinfachen könnte, natürlich zu Beginn aber auch neue Herausforderungen zur Ausführung stellen würde.
6. Listen-Hunde haben in der Gesellschaft einen schlechten Ruf. Was bräuchte es, dass hier ein Umdenken stattfindet?
Viel Aufklärung und ein einheitliches Hundegesetz auf nationaler Ebene wo in erster Linie alle Hundehalter in die Pflicht genommen werden und nicht die spezifischen Listen-Hunderassen. Die Medien spielen zudem eine grosse Rolle. Bei einem Beissvorfall mit einem Listenhund wird die Berichterstattung oftmals aufgebauscht, was weniger der Fall ist, wenn dabei ein Hund einer anderen Rasse involviert ist.
7. Zum Schluss wären wir an ein paar Zahlen interessiert:
Interview in der Rubrik „Listenhunde“ im SKG HUNDE in der Ausgabe 01/2021 (ungekürzte Fassung) mit Judith Steffen, Vizepräsidentin DVS